Weltumrundung

mit dem Motorrad
 

Weltumrundung

Bericht in der örtlichen Presse

Die Hafenstadt Magadan liegt am nordöstlichen Rand Russlands. Der auch im Winter eisfreie Hafen wird militärisch genutzt, war sogar bis zum Ende der Sowjetunion Sperrgebiet. Gerhard Spiegler wollte die Stadt aus einem besonderen Grund erreichen: Weil er auf seiner Weltumrundungs-Tour so viele Längengrade wie möglich befahren wollte. Und dafür musste eben auch Magadan auf die Liste. Weiter im Norden hätte Spiegler auch die berühmte Beringstraße nutzen können: „Die Beringstraße kann aber nur im Winter überquert werden, wenn das Wasser gefroren ist.“ Dann herrschen Temperaturen von -40 Grad Celsius – zu kalt für eine Fahrt mit dem Motorrad.

Einfach war aber auch der Weg nach Magadan nicht: Weil die Hafenstadt quasi wie auf einer Insel liegt, es jedoch keinen Passagierschiffverkehr oder eine Zugverbindung gibt, kann Magadan nur mit einem geländegängigen Fahrzeug aus dem rund 2000 Kilometer entfernten Jakutsk erreicht werden. „Davon sind rund 1700 Kilometer Schlagloch und Schotterpiste.“ Hotels als Übernachtungsmöglichkeit gab es auf der gesamten Strecke nicht. Magadan selbst hat einen Frachthafen, der die Stadt mit Waren versorgt. In den Sommermonaten bringen die Frachter vor allem Kohle für das Heizkraftwerk, auch wird viel Treibstoff angeliefert, damit die Tanklaster im 30-Minuten-Takt die nördlich gelegenen Goldminen versorgen können.

Magadan also: Dort machte Spiegler auch deshalb länger Station, um eine Möglichkeit zu finden, wie er und „Olga“, sein Motorrad, heil nach Alaska kommen könnten. Dort bekam er auch Besuch von seiner Freundin, gemeinsam machten sie sich auf die Suche, bis sie eine deutsch sprechende Agentin der Firma „Fasco Container Schiffstransport“ fanden, die einst in Göttingen studiert hatte. „Zwar konnte sie selbst uns keinen Transport anbieten, vermittelte aber einen anderen Agenten, der für Spiegler einen Container besorgte, in dem das Motorrad von Magadan nach Wladiwostok verschifft werden konnte. „Mein Glück war, dass sich die Firma genau auf diese Art von Transporten spezialisiert hatte.“

Gerhard Spiegler erreichte auf seiner Weltumrundungs-Tour also in Wladiwostok, die bekannte Großstadt am japanischen Meer. Wladiwostok gilt als Russlands wichtigste Hafenstadt und ist auch ein bedeutender Wirtschaftsstandort, weil von dort aus der Handel mit China und Japan betrieben wird. Den Hafen durfte Spiegler gar nicht erst betreten – denn obwohl die Militärschiffe abgezogen sind, ist der Hafen nach wie vor ein Hochsicherheitstrakt. Insgesamt zehn Tage dauerte es, bis „Olga“ – nach ausführlicher Prüfung durch den russischen Zoll – von Magadan nach Wladiwostok verschifft werden konnte. Von Wladiwostok aus gibt es keinen direkten Frachtflug nach Alaska, weshalb Spiegler umplante: Also wurde das Motorrad in Wladiwostok umgeladen in einen anderen Container und per Schiff von Korea nach Vancouver geschickt.

In diesen Tagen flog Spiegler nun weiter nach Vancouver, 15,5 Stunden dauerte der Flug (inklusive Wartezeiten). Von dort aus hat er sich mit einer Ersatzmaschine in Richtung Alaska aufgemacht. „Olga“ erlebt diesen Teilabschnitt des Trips also nicht. „Der Transport auf dem Seeweg dauert inklusive Um- und Ausladen rund 35 Tage“, sagt Spiegler. So lange wollte Spiegler aber nicht warten. Und so konnte er in den vergangenen Tagen spannende Erfahrungen machen: etwa die, dass die Straßenverhältnisse in Richtung Alaska ausgesprochen gut sind und der Touristenverkehr floriert. „Etwa 20 Prozent Motorradfahrer, 60 Prozent Wohnmobile und Wohnwagen und der Rest sind normale Pkw und Lkw.“ Die Strecke sei sehr kurvenreich, die Temperaturen schwankten oft. Und man könne viele Bären beobachten, die aus den Wäldern kämen und entlang der Straße nach Nahrung suchten. „Insgesamt sechsmal habe ich jetzt schon Bären beobachtet, die sich mir bis zu einer halben Straßenbreite angenähert haben“, erzählt Spiegler.

Den Großteil der Reise hat Gerhard Spiegler mittlerweile hinter sich gebracht. Doch was hat ihn bewegt, die Weltumrundung mit Motorrad anzugehen? Schon als Kind habe er sich intensiv mit dem „großen Russland“ auseinandergesetzt. Die Reise ist bereits seine dritte nach Russland, die erste ging ans Nordkap, die zweite fand vor zwei Jahren statt, als Spiegler über Russland, die Mongolei und die Wüste Gobi Shanghai erreichte. „Hin und zurück sind das etwa 32 000 Kilometer.“ Und da Spiegler noch unbedingt vor seinem 60. Geburtstag (am 16. Mai dieses Jahres) eine Weltreise unternehmen wollte, startete er zwei Tage vorher das Projekt Weltumrundung. „Mich interessieren die Menschen in anderen Ländern, wie sie leben“, erzählt Spiegler. Und er stelle fest: Egal wo er auch sei, die Menschen seien zum überwiegenden Teil glücklich – ohne materiellen Wohlstand.

Und auch das habe er festgestellt: In Russland gibt es viele große Städte, die nur über unzureichende, ja eher schlechte Straßenverbindungen verfügen. Auch die Zuganbindung ist mangelhaft. Flughäfen sind weit weg, „viele Menschen haben vermutlich noch nie ihre Stadt verlassen“, so Spiegler. In einer solchen Stadt machte Spiegler tatsächlich Station, „nach einer grenzwertigen Tagesfahrt“, wie er es nennt. Zuvor hatte es geschneit, die Straße war wieder mal in schlechtem Zustand, Lastwagen hatten Schneehaufen verursacht, sodass der Schnee nicht mehr unter den Beiwagen passte. „Das war eine Höllenfahrt.“ 30 Kilometer abseits seiner Route fuhr er in diese Stadt hinein, alles war nass, ihm war kalt und von einer Übernachtungsmöglichkeit war nichts zu sehen.

Auf Empfehlung eines Ehepaars fand er aber eine Bleibe, die Menschen versorgten ihn kostenlos mit Lebensmitteln, am anderen Tag bemühten sich gleich mehrere Helfer, ihm in Sachen Reparaturen an seinem Motorrad behilflich zu sein. Als er sich abends in eine spartanisch eingerichtete Kneipe begab, erzählte ihm die dortige Bedienung, dass schon die halbe Stadt wisse, „dass ich da bin“. Die junge Frau erzählte unter Tränen, dass sie aus der Stadt nicht wegkomme, obwohl sie gerne etwas anderes sehen würde. So wie in dieser Stadt sieht es an vielen Stellen der Strecke aus, die Spiegler in den vergangenen Wochen passiert hat.

Die BMW 1200R hat Gerhard Spiegler gebraucht gekauft und später den Beiwagen angebaut. Der Grund für die Umstände damals: So konnte auch Spieglers Hund auf kleineren Strecken im Raum Heidenheim dabei sein. „Früher habe ich immer gesagt, ich werde niemals ein solches Altherrenmotorrad fahren“, sagt Spiegler und lacht. Doch nach seinen drei großen Touren habe er seine Meinung geändert. „Es ist eine Präzisionsmaschine, die heftige Erschütterungen durch schlechte Straßen und tausende Kilometer Wegstrecke quasi unbeschadet durchgehalten hat. Das verdient Respekt, auch für den Motorradbauer.“

355 Kilogramm schwer ist die BMW-Maschine, auf Grobschotterstraßen hat das Motorrad durch die drei Räder Vorteile gegenüber Autos und Lkw – wegen der unterschiedlichen Spurabstände. „Meistens wird man durch die Fahrbahnvertiefungen aus der Bahn gedrückt, was gut erkennbar ist an meinen Lenkergriffen. Auf beiden Seiten ist das Gummi abgetragen und löchrig.

In Sachen Gepäck musste Gerhard Spiegler schon vorab gut planen. „Bei der letzten Chinareise habe ich zu viel unnötiges Gepäck dabei gehabt, das ich in zwei Seesäcken verstaut hatte. „Dieses Mal habe ich weniger Kleidung mitgenommen und logistisch besser getrennt verstaut.“ Dafür habe er mehr Werkzeug eingepackt, was sich als Vorteil herausgestellt habe, so Spiegler. So hat er ein gutes Flickzeug mit Dochten dabei, um große Löcher in den Reifen zu flicken. Auch habe er eine normale Fußpumpe mitgenommen statt einer sperrigen Elektropumpe. „Die hat damals in China das Fahrzeug meines Reiseführers lahmgelegt“, sagt er lachend.“ In China durfte Spiegler nicht ohne Begleitung unterwegs sein.

Bisher hatte Spiegler drei Reifenpannen. Am ungeschicktesten war jene an einer wenig befahrenen Stelle im Bereich Kolymar (Knochenstraße). In beide Richtungen war das nächste größere Dorf etwa 100 Kilometer entfernt. Zusätzlich erschwert wurde das Ganze durch Spieglers Seitenwagen-Anbau bzw. dass auf dem Motorrad drei in Breite und Höhe unterschiedliche Autoreifen montiert sind. „Reifen mit unterschiedlichen Zollmaßen bekommt man in Russland fast gar nicht. Die unerwarteten Pannen haben Spieglers Zeitplan jedenfalls gründlich durcheinandergeworfen. „Ich hatte ursprünglich vor, das in drei Monaten zu schaffen. Das klappt wohl nicht mehr.“ Auch, weil Spiegler trotz monatelanger Vorbereitungen kein Frachtflugzeug organisieren konnte, das ihn und „Olga“ von Magadan nach Nordamerika bringen konnte.

Mit dem Schiff dauere ihm alles eigentlich viel zu lange. Trotzdem wartet er jetzt auf „Olga“. Immerhin: Von New York nach Lissabon hat er schon mal eine Zusage für einen Flug im Frachtflieger. „Ich werde versuchen, in Alaska wieder etwas Zeit reinzuholen.“ Zumal in Gegensatz zu Russland der Sprit, das Essen und die Übernachtungen in Nordamerika und Europa deutlich teurer seien. „Ich werde schon zu Hause erwartet. Darauf freue ich mich sehr.“Ankunft war dann im August 2017.